Arches National Park

Von Steinbögen und unsichtbaren Damen.

Wir sind noch immer in Gedanken an unsere Zeltnacht im Monument Valley, als der Highway wieder nach uns ruft. Unser Ziel ist der Arches Nationalpark im tiefsten Utah. Gisela hingegen ist wortwörtlich schon voll in Fahrt. Sie ist auch die Einzige im Auto, die ununterbrochen redet. Gisela ist etwa Mitte vierzig, hat kurze, gelockte braune Haare und spricht, trotz ihres germanisch klingenden Vornamens, ausschließlich Englisch. Zudem ist sie sehr vorausschauend, „follow the course of the road for 400 Kilometers“ oder „in 650 Kilometers keep left“, sind ihre Lieblingssätze. Sie reagiert weder auf Fragen, noch lässt sie sich den Mund verbieten wenn wir sie (be)schimpfen, weil sie uns bei Kaffee- und Raststättenpausen mit „enter the motorway“ zum weiterfahren ermahnen will. Unsere Freundin aus dem Navigationssystem scheint uns fast schon zu kennen, die geplante Fahrzeit überschreiten wir nämlich aufgrund von Fotomotiven entlang der Straßen regelmäßig.

Wir übernachten für zwei Nächte in Moab, einem Städtchen kurz vor den Toren des Nationalparks. Alles hier erinnert an Fred Feuerstein und seine Familie, rote runde Felsen am Horizont, Einfamilienhäuser in Erdtönen, eine Main Street mit Shops, Restaurants und einer Tankstelle. Die Einwohner scheinen um die Ähnlichkeit mit Felsental zu wissen – die Schriftzüge über Restaurants und Lokalen haben einen verblüffend „steinzeitlichen“ Einschlag.

Wie Höhlenmenschen hausen wir allerdings nicht. Unser Bed and Breakfast wird von Annie betreut und vermietet. Obwohl wir vor Antritt unserer Reise gefühlt wöchentlich eine E-Mail oder SMS von Annie erhalten haben, wie sehr sie sich doch auf unseren Aufenthalt freue – zu Gesicht bekommen wir sie nie.

Wir erreichen ein kleines Einfamilienhäuschen mit idyllischem Vorgarten, Amerikanscher Flagge über der Tür und Schaukelstühlen auf der Veranda. Unser Name steht auf einer der Boxen vor der Haustür, unser Schlüssel und ein kleiner Liebesbrief stecken in einem Umschlag. Die Schnitzeljagd beginnt. Das Haus dient rein zu Vermietung, und obwohl hier niemand dauerhaft wohnt, ist alles ein bisschen „überdekoriert“. Unser Schlafzimmer befindet sich im Erdgeschoss, an der Wand hängen überall Lebensweisheiten, unser Radiowecker gibt ein Meeresrauschen von sich. Wir finden der Reihe nach versteckte Botschaften im Haus. Es gibt auch ein Wohnzimmer, dort hängen auf einer Kleiderstange Kostüme und Masken. Irgendwie hat diese Idylle etwas Unheimliches. Neben dem Haus befindet sich ein Garten, der allerdings durch einen hohen Zaun nicht einsehbar ist.

Wir setzen uns in die Schaukelstühle auf der Veranda, öffnen die Schublade eines Kästchens in dem sich ein Buch befindet. Der Titel: „ALERT!“. Wir schauen uns fragend an. Ein Spaziergang zum Nachbargrundstück, wo wir einen kleinen Schrottplatz mit verwahrlosten Autowracks finden, lenkt uns zwar ab, wirft aber auch Fragen auf. Wir machen ein paar Fotos, als sich plötzlich ein Mann mit Gummistiefeln und Unterhemd bemerkbar macht, ob er uns denn helfen könne. Wir erklären, dass wir nebenan bei Annie wohnen, seine Miene ändert sich zu einem vorgetäuschten Lächeln. Wir gehen dann mal besser.

Trotz all dieser einschlägigen Hinweise auf einen Gruselfilm überleben wir die Nacht und starten unsere Tour zu den Arches. Die Sandsteinfelsen ragen in den blauen Himmel, und obwohl wir uns noch immer in der Wüste befinden, unterscheidet sich die Landschaft im Vergleich zu dem, was wir bisher gesehen haben.

Das Colorado-Plateau reicht scheinbar bis an den Horizont, die Landschaft ist hügelig und mehr bewachsen. Filmfans fühlen sich in einen Indiana Jones Film versetzt, tatsächlich wurden Teile davon hier gedreht.

Auch die zweite Nacht bei Annie verläuft ruhig. Von ihr selbst, dem gummistiefeltrangenden Nachbarn oder anderen Gästen keine Spur. Das Frühstück befindet sich bereits in unserem Kühlschrank als wir aufwachen. Wir stellen gar keine Fragen mehr, hinterlassen eine nette Notiz im Gästebuch und brechen wieder auf. „Enter the motorway and follow the course of the road for 250 Kilometers“. Danke, Gisela!