Los Angeles

Los(t) Angel(e)s – von verlorenen Engeln und verschwundenen Gegenständen.

Los Angeles, Kalifornien. Man erwartet sich Glamour, Hollywood und Oscars. Mit Luxusvillen gesäumte Hügel, Filmstars mit dicken Sonnenbrillen und Jogginghosen an jeder Ecke. Auch für uns war die Stadt der Engel, trotz mehrmaliger Warnungen durch bereits besser Belehrte, ein Highlight auf unserer Route. Wir konnten schließlich auch nicht ahnen, dass diese Stadt mehr Gesichter hat, als hier täglich geliftet werden.

Aber von vorne: Nach einer brandheißen Autofahrt durch die Mojave-Wüste bei 45 Grad, stehen wir bereits vor den Toren von L.A. Die Betonung liegt auf stehen, denn der achtspurige Highway ist verstopft wie eine operierte Filmstarnase im Winter. Nach einigen Kilometern bemerken wir aber, dass es eigene Spuren für Autos mit zwei oder mehr Passagieren gibt. So geht es also auf der Express-Lane, natürlich auch mit Stau, eine gute Stunde in Richtung Traumfabrik.

Wir wohnen direkt im Geschehen, in einem Apartment Mitten in Hollywood und erkunden unsere glamouröse Nachbarschaft zu Fuß. Es ist dreckig, die vielen Läden am Straßenrand heruntergekommen. Jennifer Lopez, James Dean, Marilyn Monroe – berühmte Namen sind in den schmutzigen Gehsteig gemeißelt und wir realisieren, dass wir auf dem Hollywood Walk of Fame spazieren. Es wird langsam dunkel, die Gestalten in den Straßen wirken dadurch nicht unbedingt freundlicher und irgendwie sehnen wir uns, das erste Mal seit Beginn dieser Reise, ein bisschen nach zu Hause. Sei es der Müdigkeit oder der anfänglichen Enttäuschung aufgrund der sehr hohen Erwartungen an diese Stadt geschuldet.

Eine Rooftopbar namens „Mama Shelter“ scheint uns da genau gelegen zu kommen. Zuflucht bei Mama finden wir nicht, aber einen Wahnsinn von Moscow Mule auf einer Dachterrasse mit Blick auf das Hollywood Sign. Um uns herum stylische Menschen (wir reden uns ein, es seien junge Schauspieler und Models die auf ihren Durchbruch warten) und die untergehende Sonne, lassen unseren Traum von California wieder kurz aufleben. Zumindest vorübergehend.

Los Angeles ist bekanntlich eine reine Autostadt. Auch wir wollen hier natürlich nichts und niemandem nachstehen und beschließen am nächsten Tag mit unserem Gefährt die Hollywoodhills zu erkunden. Wir genießen, trotz Smog, unsere Aussicht vom Griffith Observatory über die Stadt und unsere Wanderung zum Hollywood-Zeichen. Hier oben stehen die Villen dicht aneinander. Eine Einfahrt ist imposanter als die andere und viele der Straßen sind gar nicht erst befahrbar. Schilder mit „Private Road“ und großen Schranken warnen unsereins davor, diese noblen Wohngegenden nicht zu befahren. Es ist plötzlich alles ganz ruhig, gediegen und aufgeräumt, als hätten wir die Smogdecke wie ein Raumschiff die Atmosphäre durchbrochen und wären im Himmel der Luxusvillen und protzigen Vorgärten gelandet.

Unsere Weiterfahrt nach Beverly Hills macht uns die Ausmaße dieser Metropole erst begreiflich. 10 Kilometer Luftlinie – 45 Minuten Fahrzeit. Los Angeles besteht aus 82 Kleinstädten – manche berühmter, manche weniger – die alle zusammen versuchen EIN Los Angeles zu ergeben und von viel Verkehr und noch mehr Stau voneinander getrennt werden. Die Kleinstädte an sich funktionieren allerdings auch wie solche: Man bleibt unter sich. In Beverly Hills rollt das Geld sprichwörtlich über die Straße. Maseratis und Ferraris stehen vor Luxusshops mit fettem Logo und bewachten Eingangstüren. Die Kundschaft? Sagen wir mal eher plastisch veranlagt. Die Gegend beeindruckt allerdings trotzdem, die Palmen, die penibelst vornehm gestalteten Gebäude und der Rodeo Drive zeigen uns, dass wir angekommen sind in der Stadt der Schönen und Reichen.

Zumindest so lange bis wir bemerken, dass Madeleine’s Handy verschwunden ist. Eine Odyssee durch Los Angeles beginnt, alle besuchten Orte noch einmal abzufahren würde bei der nahenden Rush Hour aber gute zwei bis sechs Monate dauern und so bleibt die Suche erfolglos. Das Handy hätte sich mit seiner Silikonhülle auch keinen besseren Ort für seinen Lebensabend aussuchen können.

Nach diesem Erlebnis haben wir genug vom Autofahren – ab jetzt lassen wir uns wie Filmstars durch die Avenues kutschieren. Außer, dass unsere Fahrer keine Angestellten und unser fahrbarer Untersatz kein Hummer ist: Wir entdecken Uber! Die Taxi-App, die einen kostengünstig mit privaten Fahrern von A nach B bringt und definitiv eine der besten Erfindungen ist, seit uns Apps geschenkt wurden. Sogar die Einheimischen verfluchen den Verkehr und das Chaos, denn wir fahren von Hollywood nach Venice Beach eine geschlagene Stunde. Kurz darauf stehen wir – wohlgemerkt das erste Mal – vor dem Pazifik!

Am Venice Beach ist das Treiben bunt und vielfältig. Bodybuilder zeigen was sie haben und können, Straßenkünstler, Breakdancer und Sänger stellen ihr Talent zur Schau. Wir spazieren den Strand entlang, auffällig viele gutaussehende Menschen begegnen uns und von Weitem sind schon die Lichter des Riesenrades am Santa Monica Peer zu sehen. Es ist wieder einer jener Momente, an denen wir bemerken, dass wir wirklich in L.A sind. Man muss sich das hier nämlich öfters selbst sagen, sonst geht es in dem Chaos, das hier herrscht, unter.

18 Millionen Menschen in unzähligen kleinen Stadtteilen, die den Los Angeles County ausmachen, mag verkehrstechnisch eine Katastrophe sein, hat aber dennoch auch seine Vorzüge. Entlang der Melrose Avenue zeigt sich uns wieder ein neues L.A.: kleine Boutiquen und Bars, hippe Läden, Kirsten Stewart am Straßenrand und wahnsinnig gute Graffitis an den Wänden. Vielfalt und Diversität kann man diesem Ort niemals aberkennen.

Unseren letzten Tag verbringen wir am Film-Set – als Besucher der Warner Bros. Studios in Burbank. Über das Studio von „The Big Bang Theory“ und die ehemalige Kulisse von „Friends“ gelangen wir in eine kleine Straße, wie sie in tausenden Vororten in ganz Amerika zu finden ist. Der Unterschied? Sie ist nicht echt. Das Set diente unter anderem in „Gilmore Girls“, „Spiderman“ und „La La Land“ als Drehort. Die Häuser sind nur Attrappen, oft ist die Vorderseite eines Hauses eine komplett andere als die Rückseite. Aber genau das ist Los Angeles. Vielfältig, weitläufig, chaotisch und gespielt. Das Meiste hier ist Fake und nichts ist in Wahrheit so, wie man es vom Bildschirm kennt. Und dennoch schaut man so gerne zu. Das Unerwartete macht einen Film schließlich aus, oder nicht?